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Zielsetzung und zugehörige Projektaktivitäten

Zielsetzungen

Ein Ziel des Projektes ist die Generierung numerisch-geotechnischer Vorhersage- und Risikomodelle zur Beurteilung von Hangstabilitäten und Felssturzgefährdungen. Sie ermöglichen belastbare Aussagen zur Gefährdung durch Massenbewegungen und sollen zukünftig an die erwarteten klimatischen Veränderungen (z. B. Starkregenereignisse) angepasst werden können. Hierzu gehört als Ziel das Erstellen ingenieurtechnische Lösungskonzepte für den Untergrund bezüglich der Infrastruktur sowie Sicherungskonzepte für zukünftige Baumaßnahmen in risikobehafteten Hangbereichen.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist die (Weiter-) Entwicklung eines wartungsarmen Monitoring- und Frühwarnsystems, welches größere und oft schlecht zugängliche Areale abdeckt. Aus einer Kombination bestehender Technologien wird ein selbstlernendes System zum Monitoring von Fels- und Lockergesteinsbewegungen als ein Frühwarnsystem entwickelt. Dieses kann als flexibles System an die unterschiedlichen ingenieurgeologischen Situationen angepasst werden.

Im geplanten Expertensystem werden sämtliche bestehenden und generierten Daten mit Raum- und Zeitbezug erfasst. Das Expertensystem ermöglicht eine systematische Erfassung von Massenbewegungen und kann schrittweise über die Projektzeit hinaus erweitert werden. Mit der schrittweisen Einpflege neuer Daten erhält man einen immer exakteren Kenntnisstand über die Art und Intensität der Naturrisiken in Swanetien. Das Monitoring- und Frühwarnsystem und das Expertensystem werden miteinander verknüpft, so dass mögliche Gefährdungen und konkrete Ereignisse automatisch in einem WebGIS angezeigt werden. Dies bietet den zuständigen Behörden die Möglichkeit, mit entsprechenden Maßnahmen auf das Ereignis zu reagieren. Eine weiterentwickelte Applikationen für Smartphones und Tablets ermöglicht die zeitnahe Benachrichtigung der Behörden über Ereignisse.

Diese Planungswerkzeuge ermöglichen eine nachhaltige Vermeidung oder zumindest Reduzierung von menschlichen Opfern und Zerstörungen der Infrastruktur. Zukünftige Baumaßnahmen können wirtschaftlicher umgesetzt werden, da ein planvolles Vorgehen die momentan permanenten und unzulänglichen Nachbesserungen und damit zusätzlichen Kosten vermeidet. Mit den behördlichen Handlungsempfehlungen wird ein systematisches und koordiniertes Reagieren im Falle von Ereignissen erreicht. Die Möglichkeit für die lokale Bevölkerung, mittels einer Applikation über Massenbewegungen zu informieren, kann das Bewusstsein für diese Problematik erhöhen. Zudem wird durch dieses „crowd data collecting“ die Datenlage für die Prognosemodelle verbessert und somit die Planungssicherheit erhöht.

 

Lösungsweg

Vermessung und ingenieurgeologisch Untersuchungen

Mittels Drohnenflügen werden ausgewählte Areale zur Vermessung beflogen, um digitale Geländemodelle in unterschiedlicher Auflösung zu erstellten. Basierend auf der Evaluation bestehender Daten und Untersuchungen werden umwelt- und ingenieurgeologische Untersuchungen sowie Kartierungen in ausgewählten Gebieten durchgeführt.

Die Untersuchungen führen zu einem umfassenden Kenntnisstand über die ingenieurgeologischen Bedingungen sowie über das Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung und die Infrastruktur. Unter Verwendung bestehender Raumdaten erfolgt eine vorläufige Risikobewertung und darauf basierend die Ausweisung der engeren Untersuchungsgebiete, für welche Hochwassermodelle sowie geotechnische Vorhersage-und Risikomodelle generiert werden. Mit den Untersuchungen und Modellierungen werden unterschiedliche Risiko-Typuslokalitäten definiert. Sämtliche Daten werden in das Expertensystem eingepflegt.

Vorhersage- und Risikomodelle für Hänge und Untergrund

An ausgewählten Referenzgebieten werden numerisch-geotechnische Prognose- und Risikomodelle bezüglich Felsstürzen und Massenbewegungen generiert. Diese können bei zukünftigen Veränderungen der umweltgeologischen Bedingungen angepasst werden. Wichtig ist die Verknüpfung mit der Modellierung von Hochwasserszenarien und Klimaeinflüssen (z. B. Starkregenereignisse, Auftauen des Permafrostbodens), um so den Einfluss solcher Ereignisse auf Stabilitäten von Hängen und dem Untergrund zu quantifizieren. Die ausgewählten Referenzgebiete fungieren als Indikatoren, die exemplarische ingenieur­geologische Situationen bezüglich Naturrisiken abbilden. Von diesen Lokalitäten aus werden Aussagen zum spezifischen Gefährdungspotenzial der Areale getroffen und entsprechende Prozessgebiete bezüglich Naturrisiken abgeleitet.

Sicherungskonzepte und konstruktive Lösungen

Entsprechend der definierten Risiko-Typuslokalitäten und der Ergebnisse der Risikomodelle werden Sicherungskonzepte entwickelt. Dazu zählen Varianten der felsmechanischen Sicherung (Steinschlagschutz, Anker, Netze usw.), Verbundbauweisen für Stützbauwerke (Gabionen, Vernagelungen, Trockenmauern usw.) sowie ingenieurbiologische Bauweisen (Buschlagen, Faschinen usw.). Als neuer, innovativer Lösungsansatz ist die Entwicklung von Kombinationsbauweisen vorgesehen, die ingenieurtechnische und ingenieurbiologische Verfahren verknüpfen. Entscheidend für den Erfolg dieser Methoden ist die Berücksichtigung der regionaltypischen Pflanzenarten und Untergrundbedingungen.

Durch bautechnische Verfahren werden Standsicherheit und Erosionsschutz für den Zeitraum gewährleistet, indem diese Funktionen nicht durch den Bewuchs übernommen werden können. Gleichzeitig sollen wachstumsfreundliche Umgebungsbedingungen für die Ansiedlung der Pflanzen erreicht werden. Zum Einsatz kommen dabei auch biologisch abbaubare Injektionsmittel. Die biologischen Maßnahmen gewährleisten die Langzeitstabilität. Zu den Komponenten der Kombinationsbauweise gehört eine „Außenhaut“ als Oberflächenabdeckung. Dies besteht aus speziellen Substraten zur Verhinderung von Erosion und der Erzeugung eines Bereichs größerer Zugfestigkeit und wird durch sich schnell etablierende, flachwurzelnde Pflanzen ergänzt. Parallel dazu ist die Platzierung tiefwirkender Komponenten (z.B. tiefwurzelnde Pflanzen, Bio-Dübeln) bei dafür geeigneten Umgebungsbedingungen vorgesehen. Hierbei werden die Substrate, die Einbringtechnologien ausgewählt oder entwickelt sowie die geeigneten Pflanzenarten definiert. Die Interaktion Untergrund und Konstruktion werden experimentell und messtechnisch untersucht. Ziel ist die Entwicklung der Grundlagen für rechnerische Prognoseverfahren, mit denen die Planung der Sicherungsmaßnahmen nach ingenieurtechnischen Prinzipien möglich wird.

Expertensystem

Das Expertensystem besteht aus einem GIS-Server mit einer Datenbank-und WebGIS Komponente. Es dient als zentrales Werkzeug, in dem alle bereits vorhandenen Daten (Geologie, Naturrisiken, Flächennutzung, Luftbilder, ...), aus Satellitendaten abgeleitete Informationen und im Gelände erhobene sowie modellierte Daten aus dem Monitoring- und Frühwarnsystem zentral verwaltet und visualisiert werden. Es wird ausschließlich Open-Source verwendet, da hierdurch Lizenzkosten gespart werden und somit das System auch für die georgischen Behörden anwendbar ist. Kern-Komponenten sind QGIS, PostGIS und die GBD WebSuite. Die WebGIS Komponente bietet einen umfassenden Überblick über die einzelnen Gefährdungsrisiken und eine Grundlage für die nachhaltige Raumplanung. Für diese Anwendergruppe wird das WebGIS mit einem Analyse Modul erweitert, mit dem statistische Auswertungen oder räumliche Analysen durchgeführt werden können.

Das Desktop GIS wird dazu um eine Toolbox "Massenbewegungen" erweitert, welche Werkzeuge bereitgestellt, um verschiedene Analysen auf Basis aller zur Verfügung stehenden Daten durchzuführen und mit den Analyseergebnissen das Expertensystem zu erweitern und zu optimieren. Ein Schwerpunkt der Umsetzung wird dabei auf der effizienten Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data), d. h. vor allem Satellitendaten liegen. Eine Applikation für Smartphones wird (weiter-) entwickelt, mit der Personen Ereignisse fotografieren, eine kurze Beschreibung geben und dies dann in die Datenbank des Expertensystems hochladen können. Vor der Darstellung im WebGIS können die Daten durch Fachleute geprüft werden.

Monitoring- und Frühwarnsystem

Das Monitoring- und Frühwarnsystem besteht aus Sonden, welche in definierten Abständen oder bei Gefahrenereignissen sofort die Messdaten zu Bewegungen, Temperatur und Feuchte an ein lokales Gateway senden. Die Gateways leiten diese Informationen direkt an verantwortliches Sicherheitspersonal sowie an einen zentralen Server weiter. Über die internetgestützte Verwaltungssoftware ist es möglich, die Messdaten mit denen anderer Sonden im Gebiet und deren Zeitverlauf zu korrelieren. Dies ermöglicht die Weiterleitung detaillierter Informationen zu möglichen Bewegungen (SMS, E-Mail) sowie die langfristige Gefährdungsabschätzung des überwachten Gebietes.

Für großflächige Gebiete bestehen die Herausforderungen einer mehr oder weniger flächendeckenden Überwachung mit einer Vielzahl an Sonden sowie eine belastbare Bewertung der Sondenmesswerte, die viel Erfahrung und Kenntnisse über die lokalen Gegebenheiten erfordert. Durch die Kombination mit weiteren Daten aus den geotechnischen Simulationsmodellen sowie der Wissensbasis des Expertensystems soll die notwendige Sonden auf eine für die Abdeckung großer Gefährdungsgebiete wirtschaftlich vertretbare Anzahl optimiert werden. Im Rahmen dieses Projektes werden daher numerisch-geotechnische Vorhersage- und Risikomodellen für die Auswahl der Sondenpositionen und eine Anfangskalibrierung verwendet. Es werden maschinelle Lernverfahren zur stetigen Rekalibrierung von regulären Bewegungen und die Erkennung gefährlicher Ereignisse in Korrelation mit den anderen Datenquellen des Expertensystems angewandt.

Entwicklung von behördlichen Handlungsempfehlungen

Basierend auf den Ergebnissen der anderen Arbeitspakete wird ein Ansatz für ein Risikomanagement erarbeitet. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit soll die Bewohner, Grundstückseigentümer und agierenden Firmen besser über die Risiken vor Ort und mögliche Risikovorsorge informieren.